
Normal mag sicher sein, aber es ist weder wünschenswert noch ideal.

JKAA: Das Spektrum der Stimmungen – Normal ist völlig überbewertet.
Ach, die schöne Normalität. Wer will schon normal sein, wenn man auch außergewöhnlich sein kann?
Nassir Ghaemi, der Experte für abnormale Brillanz, gibt uns in seinem Werk „A First-Rate Madness: Uncovering the Links Between Leadership and Mental Illness“ einen Einblick in die Welt des Mittelmaßes. Er bedient sich dabei einer Studie, die so alt ist wie die Röhrenfernseher von damals, durchgeführt von einem der letzten Freunde von Freud, Roy Grinker.
Grinker führte eine Gruppe von 343 College-Studenten ins Nirgendwo und wählte 65 heraus, die in seiner Vorstellung die goldene Mitte der geistigen Gesundheit darstellten. Basierend auf Interviews erstellte Grinker eine Liste der Eigenschaften dieser „Mister Normal“.
Nun, hier kommt die Witznummer: Diese Champions des Durchschnitts litten alle unter einer schlimmen Krankheit namens „Durchschnitt-itis“. Sie hatten einen leicht überdurchschnittlichen IQ, ihre Noten waren so mittelmäßig wie ein lauwarmer Kaffee, und sie waren Meister im Mittelmaß in den Mannschaftssportarten der High School.
Ihre größte Errungenschaft? Sie konnten gut mit anderen spielen. Grinker nannte sie „Homokliten“ – „diejenigen, die der gemeinsamen Regel folgen“. Ihr Lebensziel war es, sich anzupassen, Gutes zu tun und beliebt zu sein. Sie würden Teil der „großen stillen Mehrheit“ werden, die Nixon so schamlos ansprach.
Dr. Ghaemi macht deutlich, dass Grinkers Homokliten zwar den statistischen Durchschnitt und den Normalzustand repräsentierten, aber kaum ein Ideal.
Das bringt uns zur Millionen-Dollar-Frage: Würden Sie wirklich einen dieser Homokliten als Ihren Präsidenten oder Premierminister wollen, wenn es hart auf hart kommt?
Oder bevorzugen Sie jemanden, der sich schon mal von der Schule hat schmeißen lassen, wie zum Beispiel JFK?
Dr. Ghaemi bestätigt im Grunde, was die meisten von uns im Stillen schon immer gefühlt haben: Diejenigen von uns, die nicht normal sind, haben keinen Wunsch, normal zu werden. Natürlich wollen wir nicht schwer depressiv oder manisch sein, oder übermäßig ängstlich, oder unsere geistigen Fähigkeiten beeinträchtigt haben. Nein, wir wollen etwas Besseres, wir wollen uns selbst sein.
Aber normal? Bitte, verschonen Sie mich.
An anderer Stelle auf dieser Website beschreibe ich eine absolut skurrile Begegnung, die ich 2008 in einer Psychiatrie in Princeton, New Jersey hatte und die hier noch einmal erzählt und kommentiert werden muss. Die Leute, mit denen ich sprach, waren natürlich um einiges klüger als der Durchschnittshomoklit. Trotzdem leben wir in einer Welt, die das Normale als das Höchste verehrt. Fast jeder ist dabei. Fast jeder glaubt an den Mythos.
Also stehe ich da und versuche, diesen Leuten zu erklären, dass viele von uns die Welt durch die Augen von Künstlern, Dichtern, Visionären und Mystikern sehen. Ach ja, und auch erfolgreichen Profis und Unternehmern. Wir wollen nicht so sein wie sie.
Es war, als hätte ich einen Witz über Mathematik gemacht und niemand hat gelacht. Also habe ich es nochmal versucht: „Für mich seid ihr alle so spannend wie trockenes Brot.“
Eisiges Schweigen.
Mein Vortrag war natürlich ein absoluter Reinfall.
Ich dachte, ich hätte meine Zeit damit verschwendet, Menschen zu erreichen, die fest im Griff des Mythos der Normalität waren. Aber nachdem ich Ghaemis Buch gelesen hatte, dachte ich, vielleicht gibt es auch noch etwas anderes: eine erschreckende Abwesenheit von Empathie.
Empathie hat zwar eine biologische Komponente, aber sie hat auch viel damit zu tun, überrascht zu werden von dem, was das Leben einem bietet. Ghaemi erzählt die Geschichte von Franklin Roosevelt, der bis zu seinem 39. Lebensjahr ein durchschnittliches Leben führte, bis er von der Kinderlähmung erwischt wurde. Nach dieser lebensverändernden Erfahrung kehrte er als völlig anderer Mensch zurück. Wie Eleanor Roosevelt sagte: „Er wäre sicherlich Präsident geworden, aber ein anderer Präsident.“
Also stehe ich hier und spreche mit einer Gruppe von Gesundheitsprofis, die nicht mal den Sinn darin sehen, ein bisschen verrückt zu sein. Sie können sich nicht einmal vorstellen, dass viele von uns das gar nicht wollen. Normalität ist für Leute wie uns wie ein Fluch.
Natürlich verstehe ich, warum sie nicht sein wollen wie ich. Aber könnten sie wenigstens meine Kreativität und andere Eigenschaften schätzen, so wie ich ihre Stabilität? Könnten sie zugeben, dass auch sie von einem kleinen Teil von dem profitieren könnten, was ich habe?
Selbstbeobachtung, Begeisterung… Empathie?
Ich habe fast 12 Jahre damit verbracht, meine bipolaren und depressiven Mitmenschen dazu zu drängen, die seltsamen Gaben anzuerkennen, die unsere Erkrankungen mit sich bringen. Tatsächlich lässt Verrücktheit das Normale oft wie einen grauen Einheitsbrei aussehen. Wenn Sie damit ein Problem haben, stellen Sie sich mal vor, wie die Sixtinische Kapelle aussehen würde, wenn ein chronisch normaler Mensch dort oben auf dem Gerüst gesessen hätte.
Meine Vermutung: Ein Hauch von Beige.
Aber normal zu sein, sieht recht attraktiv aus, wenn unsere Krankheit das Ruder übernimmt. Auf lange Sicht macht uns die Prüfung durch Feuer zu einer Stärke, von der der erbärmliche Normale nicht einmal träumen kann.
Oh, und was ist mit Obama, der so pathologisch normal wirkt? Während ich diesen Artikel schreibe (4. Oktober 2011), haben wir eine ganze Horde republikanischer Präsidentschaftskandidaten, die nicht mal so tun, als wären sie „mitfühlende Konservative“. Ist Republikanismus das neue Verrücktsein?
Sehen Sie auch die Welt am Abgrund, wie Fox News es präsentiert, während Sean Hannity und Bill O’Reilly sich gegenseitig auf die Schultern klopfen für die
Rettung vor den Schrecken einer großen Regierung?
Was für eine komische Welt, in der wir leben.