Forscher und Praktiker glauben seit langem, dass die Art und Weise, wie Menschen über sich selbst denken und sich selbst beschreiben, motiviertes Verhalten in Sport und Bewegung stark beeinflussen kann. Zwei Schlüsselkonstrukte, die in der sport- und bewegungspsychologischen Literatur untersucht werden, sind das Selbstwertgefühl und das Selbstkonzept. Da viele Menschen argumentiert haben, dass Urteile über das Selbst die Auswahl und Aufrechterhaltung des körperlichen Aktivitätsverhaltens beeinflussen, ist es wichtig, zwischen Selbstkonzept und Selbstwertgefühl zu unterscheiden. Selbstwertgefühl oder Selbstwert bezieht sich darauf, wie eine Person über sich selbst denkt. Es ist eine Selbsteinschätzung, die ein Gefühl dafür vermittelt, wie eine Person den Wert einschätzt. Das Selbstkonzept bezieht sich auf die Selbstwahrnehmung persönlicher Eigenschaften wie Fähigkeiten, Fertigkeiten und körperliche Merkmale.
In der Vergangenheit untersuchten Forscher sowohl das Selbstwertgefühl als auch das Selbstkonzept aus einer sehr breiten globalen Perspektive. Die moderne Arbeit erkennt jedoch an, dass das Selbstwertgefühl und insbesondere das Selbstkonzept am besten aus einer mehrdimensionalen und hierarchischen Perspektive betrachtet werden kann. Beginnend mit der Arbeit von Richard J. Shavelson und Kollegen in den 1970er Jahren wurde das Selbstkonzept als eine facettenreiche Hierarchie konzeptualisiert, die aus dem globalen Selbst an der Spitze besteht, mit spezifischen Domänen (z. B. akademisch, sozial und physisch) und Unterdomänen, die darunter verschachtelt sind. Ein wichtiger Bereich des globalen Selbst ist zum Beispiel das physische Selbst, das weiter in mehrere Teilbereiche unterteilt werden kann, wie z. B. Flexibilität, Ausdauer oder Kondition, sportliche Fähigkeiten, Kraft und Aussehen. Jede Subdomäne kann weiter in diskretere Komponenten differenziert werden. Zum Beispiel kann die körperliche Flexibilität weiter in Facetten wie Beinflexibilität, Rückenflexibilität, Hüftflexibilität und Schulterflexibilität unterteilt werden. Typischerweise haben Teilbereiche des physischen Selbstkonzepts moderate bis starke Wechselbeziehungen. Aspekte des physischen Selbst, insbesondere das Erscheinungsbild des Körpers, zeigen moderate Korrelationen mit der Wahrnehmung des globalen Selbst über die Lebensspanne.
Obwohl es eine starke Unterstützung für die mehrdimensionale Sichtweise des Selbstkonzepts gibt, ist die Unterstützung für die hierarchische Perspektive weniger überzeugend. Arbeiten von Herb Marsh und anderen haben ergeben, dass Beziehungen zwischen einigen bestimmten Domänen oder Subdomänen gering oder gar nicht vorhanden sind. Darüber hinaus weist das globale Selbstkonzept auch geringe Korrelationen mit spezifischen Selbstkonzeptdomänen oder Subdomänen auf. Ein hierarchisches Modell impliziert auch entweder eine Top-Down- oder Bottom-Up-Richtung des Kausalflusses. Der Bottom-up-Ansatz geht davon aus, dass situationsspezifische und aufgabenorientierte Erfahrungen die Wahrnehmung in bestimmten Teilbereichen beeinflussen, was wiederum das domänenspezifische Selbstkonzept und das globale Selbstkonzept insgesamt beeinflusst. Forscher, die Interventionen mit diesem Modell durchführen, würden auf eine bestimmte Facette des physischen Selbst (z. B. Beinkraft) abzielen und erwarten, dass Veränderungen in der Facette die Wahrnehmung eines bestimmten physischen Teilbereichs (z. B. körperliche Kraft) beeinflussen. Veränderungen in der spezifischen physikalischen Subdomäne würden dann zu erwarteten Veränderungen des globalen physischen Selbst führen, was eine Veränderung des globalen Selbstkonzepts bewirken würde.

Das Top-Down-Modell stellt die Hypothese auf, dass Veränderungen des globalen Selbstwertgefühls Bereiche niedrigerer Ordnung (z. B. physisches Selbst) beeinflussen, was sich wiederum auf bestimmte Teilbereiche auswirkt und wiederum bestimmte körperliche Aktivitätsverhaltensweisen beeinflussen würde. Daher zielen Top-Down-Interventionen auf das globale Selbstwertgefühl ab, da davon ausgegangen wird, dass Personen mit höherem Selbstwertgefühl selbstbewusster sind, sich unabhängig von ihrer Erfahrung und wahrgenommenen Kompetenz in diesem Bereich körperlich zu betätigen. Ein Top-Down-Modell impliziert, dass Veränderungen im globalen Selbstkonzept (oder Selbstwertgefühl) Veränderungen in Bereichen niedrigerer Ordnung verursachen und nachfolgende situationsspezifische Erfahrungen beeinflussen sollten. Leider hat die Längsschnitt- und experimentelle Forschung nur wenige Hinweise auf einen kausalen Fluss von oben nach unten oder von unten nach oben zwischen der Domänenebene und der globalen Ebene gefunden.
Messung des hierarchischen Selbst
Die Untersuchung des kausalen Zusammenhangs zwischen Selbstwertgefühl, Selbstkonzept und körperlichem Aktivitätsverhalten wurde durch mehrdimensionale Modelle und nachfolgende Messinstrumente erheblich verbessert. Viele Instrumente wurden für verschiedene Bevölkerungsgruppen und Altersgruppen entwickelt, evaluiert und modifiziert. In der Sport- und Bewegungsforschung gibt es einige Instrumente, die durchweg starke Messeigenschaften aufweisen. Susan Harter und Kollegen haben die Selbstwahrnehmungsprofile für verschiedene Altersgruppen entwickelt. Diese Instrumente basierten auf hierarchischen Modellen mit globalem Selbstwertgefühl und verschiedenen Bereichen (z.B. sozial, sportlich, Aussehen) je nach Altersgruppe. Separate Arbeiten von Kenneth Fox und Herb Marsh versuchten, das physische Selbst detaillierter zu erfassen. Kenneth R. Fox und Charles B. Corbin entwickelten das Physical Self-Perception Profile, das aus vier Subdomänen des physischen Selbstkonzepts und einer globalen Domäne des physischen Selbstwerts besteht. Zu den Teilbereichen gehören Sportkompetenz, attraktiver Körper, körperliche Stärke und körperliche Kondition. Marsh und Kollegen entwickelten den Fragebogen zur körperlichen Selbstbeschreibung, der das körperliche Selbstkonzept als neun einzigartige körperliche Selbstdimensionen (Kraft, Körperfett, Aktivität, Ausdauer oder Fitness, sportliche Kompetenz, Koordination, Gesundheit, Aussehen und Flexibilität) spezifiziert, die unter dem allgemeinen körperlichen Selbstkonzept und dem globalen Selbstwertgefühl verschachtelt sind. Marsh und Kollegen entwickelten auch den Fragebogen zur Selbstbeschreibung von Elitesportlern, um das körperliche Selbstkonzept von Spitzensportlern anhand von sechs verschiedenen Dimensionen zu erfassen. Zu den Dimensionen des Selbstkonzepts von Spitzensportlern gehören Geschicklichkeit, Körper, aerobe Fitness, anaerobe Fitness, mentale Kompetenz und Gesamtleistung.
Selbstwertgefühl, Selbstkonzept und körperliches Aktivitätsverhalten
Forscher in der Sport- und Bewegungspsychologie erkennen die Bedeutung des Selbstwertgefühls und des Selbstkonzepts nicht nur als signifikante Ergebnisse für die psychische Gesundheit an, sondern auch als potenzielle Determinanten des körperlichen Aktivitätsverhaltens. Sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen gibt es solide Belege dafür, dass körperliches Aktivitätsverhalten mit Aspekten des körperlichen Selbstkonzepts und manchmal mit dem globalen Selbstkonzept und Selbstwertgefühl korreliert. Viele Forscher haben zum Beispiel herausgefunden, dass die Selbstwahrnehmung von Kondition und Ausdauer objektive körperliche Fitness und körperliche Aktivität vorhersagt. In ähnlicher Weise prognostizieren die Selbstwahrnehmung des Körperfetts oder des Selbstkonzepts des körperlichen Aussehens objektive Messungen des Body-Mass-Index oder der Körperzusammensetzung. Messungen des körperlichen Selbstkonzepts sind den globalen Messungen des Selbstkonzepts oder des Selbstwertgefühls bei der Vorhersage des körperlichen Aktivitätsverhaltens weit überlegen. Die Selbstwahrnehmung des Körperaussehens und des Körperfetts steht jedoch oft in keinem Zusammenhang mit dem körperlichen Aktivitätsverhalten.
Viele Studien zur Intervention körperlicher Aktivität bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen haben sich in erster Linie auf das globale Selbstwertgefühl oder Selbstkonzept und körperliche Aktivität konzentriert. In Studien mit Kindern und Jugendlichen wurde in der Mehrzahl dieser Studien ein bescheidener kurzfristig signifikanter Interventionseffekt festgestellt. Viele dieser Studien wurden jedoch als minderwertig kritisiert. Bei Erwachsenen führten John Spence, Kerry McGannon und Pauline Poon eine Metaanalyse von über 100 Studien zur Bewegungsintervention durch und berichteten, dass die Bewegungsintervention einen kleinen, aber signifikanten Effekt auf das globale Selbstkonzept oder das Selbstwertgefühl zu haben schien. Insgesamt deuten Forscher darauf hin, dass Interventionen zur körperlichen Aktivität kleine Veränderungen im globalen Selbst bewirken können. Es gibt jedoch nur wenige konsistente Evidenz über die Merkmale der körperlichen Aktivitätsintervention (Intensität, Dauer, Arten), die erforderlich sind, um Veränderungen hervorzurufen.
Die Forschung zur Intervention körperlicher Aktivität, die auf Veränderungen auf den verschiedenen Ebenen des hierarchischen Selbst abzielt, ist begrenzter. In einer Überprüfung von Interventionsstudien in verschiedenen Populationen kam Kenneth Fox zu dem Schluss, dass körperliche Aktivität signifikante Verbesserungen in einigen Komponenten des körperlichen Selbst mit sich bringt. Typischerweise war der Interventionseffekt für die physische Selbstwahrnehmung stärker als bei globalen Messgrößen. Neuere Arbeiten an Erwachsenen deuten darauf hin, dass Interventionen einen stärkeren Einfluss auf das körperliche Selbstkonzept haben als das globale Selbst.
Basierend auf einer Mischung von Ergebnissen scheinen Forscher darauf hinzudeuten, dass körperliche Aktivität Veränderungen sowohl im globalen als auch im physischen Selbst bewirken kann. Interventionsstudien deuten oft auf ein Bottom-up-Modell hin, bei dem körperliche Aktivität zu einer Veränderung des Selbstkonzepts oder des Selbstwertgefühls führt. Neuere Arbeiten von Herbert W. Marsh und Rhonda G. Craven sowie Marsh und anderen Kollegen deuten jedoch stark darauf hin, dass es eine wechselseitige Beziehung zwischen Leistungsverhalten und dem Selbstkonzept auf Domänenebene gibt. Mit Hilfe von Längsschnittdesigns und komplexer Modellierung fanden sie heraus, dass Selbstkonzept und körperliche Aktivität sowohl Ursache als auch Wirkung füreinander sind. Das reziproke Modell deutet darauf hin, dass das bisherige körperliche Aktivitätsverhalten das körperliche Selbstkonzept beeinflussen würde, was sich wiederum auf das körperliche Aktivitätsverhalten auswirken würde, selbst nachdem das vorherige körperliche Aktivitätsverhalten kontrolliert wurde. Dieser reziproke Effekt wurde in mehreren Studien gefunden, die verschiedene körperliche Aktivitätskontexte wie Spitzenschwimmen, Sportunterricht und außerschulische Aktivitäten verwendeten. Die Arbeit von Marsh und Kollegen in verschiedenen Populationen und Leistungsbereichen deutet darauf hin, dass der reziproke Effekt hauptsächlich auf Domänenebene auftritt. Die Anwendung des reziproken Modells hat Implikationen für Forschung und angewandte Praxis. Dies impliziert beispielsweise, dass Interventionen sowohl auf die Ebene des Selbstkonzepts als auch auf bestimmte körperliche Fähigkeiten oder Wahrnehmungen in Bezug auf den Zielbereich ausgerichtet sein sollten. Auch die Ebene, auf der das Selbstkonzept gemessen wird, muss berücksichtigt werden, da die Wechselwirkungen stärker sind, wenn der Bereich im Selbstkonzept mit dem Leistungsbereich kongruent ist.
Geschlecht und kulturelle Unterschiede
Forscher haben immer wieder herausgefunden, dass Männer sowohl bei Jugendlichen als auch bei Erwachsenen eine positivere globale und körperliche Selbstwahrnehmung haben als Frauen, obwohl es innerhalb jedes Geschlechts große Unterschiede gibt. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen in der Literatur zur körperlichen Aktivität. Es gibt jedoch keine konsistenten Belege dafür, dass der Zusammenhang zwischen Selbstkonzept und körperlichem Aktivitätsverhalten zwischen den Geschlechtern unterschiedlich ist. Einige Forscher haben argumentiert, dass Geschlechterstereotypen, kulturelle Überzeugungen und die Dominanz des traditionellen Jungensports in Schulsystemen und Gemeindeorganisationen dazu führen, dass Sport für Männer einen höheren Stellenwert hat und somit bei der Entwicklung ihres Selbstkonzepts und Selbstwertgefühls eine größere Rolle spielt. Es gibt jedoch keine verlässliche Evidenz dafür, dass Interventionen zur körperlichen Aktivität die Selbstwahrnehmung von Frauen oder Männern wirksamer verbessern.
Kulturelle Unterschiede im globalen und physischen Selbstverständnis zu verstehen, ist eine Herausforderung. Die meisten Studien, die Stichproben aus verschiedenen Ländern vergleichen, zeigen ähnliche Ergebnisse in Bezug auf körperliche Selbstkonzepte, die sinnvoll mit körperlichem Aktivitätsverhalten zusammenhängen, und es gibt starke Hinweise darauf, dass Männer gruppenübergreifend eine positivere Selbstwahrnehmung haben. Die meisten Studien verglichen jedoch die Nationalität (z. B. Türkei vs. Vereinigtes Königreich), anstatt kulturelle Werte wie kindliche Pietät und Umgebungen zu bewerten. Männer neigen dazu, eine positivere Wahrnehmung des körperlichen Selbst sowie ein höheres Maß an körperlichem Aktivitätsverhalten zu haben. Interventionen zur körperlichen Aktivität haben einen stärkeren Einfluss auf die Verbesserung des körperlichen Selbstkonzepts als das globale Selbst. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass es im Laufe der Zeit einen wechselseitigen Effekt zwischen dem körperlichen Selbstkonzept und dem körperlichen Aktivitätsverhalten gibt. Kulturelle Unterschiede werden nicht gut verstanden.
Schlussfolgerung
Selbstwertgefühl und Selbstkonzept lassen sich am besten aus einer mehrdimensionalen Perspektive verstehen. Das körperliche Selbstkonzept ist eine wichtige Dimension für das Verständnis von motiviertem Verhalten in Sport- und Bewegungsumgebungen. Männer neigen dazu, eine positivere Wahrnehmung des körperlichen Selbst sowie ein höheres Maß an körperlichem Aktivitätsverhalten zu haben. Interventionen zur körperlichen Aktivität haben einen stärkeren Einfluss auf die Verbesserung des körperlichen Selbstkonzepts als das globale Selbst. Es gibt jedoch immer mehr Hinweise darauf, dass es im Laufe der Zeit einen wechselseitigen Effekt zwischen dem körperlichen Selbstkonzept und dem körperlichen Aktivitätsverhalten gibt. Kulturelle Unterschiede werden nicht gut verstanden.
Referenzen:
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