Selbsterkenntnis beinhaltet Expertenwissen über sich selbst, unabhängig von anderen. Daher ist die Selbsterkenntnis von zentraler Bedeutung für die persönliche und soziale Wahrnehmung und Bedeutung des Selbst.9
Entwicklungsperspektiven
Es wurde argumentiert, dass es mindestens zwei miteinander verbundene Ebenen des Selbst gibt, die der Psychologe William James (1842–1910) als das „Ich“-Selbst und das „Ich“-Selbst bezeichnete. Ersteres wird als eine implizite Ebene betrachtet, auf der das Selbst ein Subjekt der Erfahrung ist, während letzteres als eine explizite Ebene beschrieben wird, auf der das Selbst ein Objekt des Wissens für sich selbst ist. Dieses Ich-Selbst ist eine bewusste Repräsentation des Selbst und beinhaltet eine komplexe Fähigkeit, durch Selbstidentifikation und Selbsterkenntnis Subjekt der eigenen Aufmerksamkeit zu sein.

Implizite und explizite Selbstwahrnehmung sind abhängig von Entwicklungsperspektiven, wobei das Ich-Selbst die ersten 2 Lebensjahre betrifft und das Ich-Selbst danach in mindestens drei Stadien entwickelt wird. Der größte Teil der Bewertung und theoretischen Tests der Selbstwahrnehmung wurde durch die Beobachtung der Reaktionen von Säuglingen und Kindern auf sich selbst durchgeführt, die sich im Spiegel präsentierten. Säuglinge beginnen ohne Selbstwahrnehmung (unbewusst) und entwickeln sich zu Selbstdifferenzierung (wie sich der Körper anfühlt und aussieht) und situativer Differenzierung (wie der Körper mit der Umwelt umgeht). Im Alter von etwa 2 Jahren manifestieren Individuen die Anerkennung ihrer selbst, und dies ist ein Meilenstein in der Entstehung eines konzeptuellen Selbst. In diesem ersten expliziten Stadium gibt es ein identifiziertes Selbst, dass das Bild im Spiegel „ich“ ist und das, was von innen heraus erlebt wird, mit dem zusammenhängt, was im Spiegel gezeigt wird. Nach dieser Identifikation entwickeln Individuen ein Gefühl der Beständigkeit, in dem ihre Selbstidentifikation keine Grenzen kennt (d.h. sie können sich in Kontexten jenseits des Spiegels wiedererkennen, wie z.B. in Filmen oder Fotos). Es wurde vorgeschlagen, dass die letzte Entwicklungsstufe des Selbstbewusstseins das Zeigen von Selbstbewusstsein einschließt, das aus dem Gewahrsein resultiert, dass das Selbst von innen heraus gesehen wird – was das Selbst ist – sowie wie das Selbst von anderen wahrgenommen wird.
Hohes versus niedriges Selbstbewusstsein
Die Selbstwahrnehmung erstreckt sich auf einem Kontinuum von niedrigen Bewusstseinsebenen (d.h. enge, zeitlich begrenztes Bewusstsein von Bewegung und Empfindung in der unmittelbaren Gegenwart) bis hin zu hohen Bewusstseinsebenen (d.h. das Aufrufen von Vergleichen von Ereignissen und dem Selbst mit Standards und Normen und umfasst breitere Zeitspannen). Diese Unterscheidungen zwischen niedrigem und hohem Selbstbewusstsein wurden mit unterschiedlichen Gedanken, Gefühlen und Affekten sowie Verhaltensweisen in Verbindung gebracht. So haben Forscher beispielsweise herausgefunden, dass Personen, die sich ihrer selbst sehr bewusst sind, ihre Erfahrungen intensiver wahrnehmen, eine genauere Selbsteinschätzung haben und in der Lage sind, sich anpassungsfähiger selbst zu regulieren, stärker auf soziale Vergleiche reagieren und sich selbst im Allgemeinen besser kennen als Personen, die ein geringes Selbstbewusstsein haben.
Theoretischer Rahmen: Fluchttheorie
Das Prinzip der Fluchttheorie ist, dass Individuen es als belastend und aversiv empfinden können, sich ihrer selbst bewusst zu sein und daher Wege zur Flucht zu finden. Da es schwierig ist, die Selbstwahrnehmung vollständig „auszuschalten“, besteht eine gängige Strategie darin, die Aufmerksamkeit auf die gegenwärtige und unmittelbare Umgebung zu verengen. Durch die Verengung der Aufmerksamkeit ist die Fähigkeit begrenzt, sinnvoll über Identität und sich selbst nachzudenken. Dieser dekonstruktive Prozess, oder das Verschieben des eigenen Bewusstseins von hohen zu niedrigen Ebenen, ist ein Weg, Bedrohungen und Druck zu entkommen. Die Motivation, der Selbsterkenntnis zu entkommen, hängt von einem Vergleich des Selbst mit Standards, Normen und Erwartungen ab, wobei je höher die Standards sind, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns und desto größer ist der Impuls zur Flucht. Was beispielsweise die Körperform und das Aussehen betrifft, gibt es hohe Standards an einen „idealen“ Körperbau für Männer und Frauen, die in den Medien perpetuiert und als normative Unzufriedenheit verinnerlicht werden. Auf der Grundlage dieser hohen Standards ist das Selbst mangelhaft, und es werden Maßnahmen ergriffen, um den Mangel zu bewältigen. Im Rahmen der Escape-Theorie sind Verhaltenshandlungen wie Alkoholkonsum, Zigarettenrauchen und Essanfälle mit einer Verringerung des unerwünschten Zustands verbunden. Obwohl nicht empirisch untersucht, ist es intuitiv, dass sitzende Verhaltensweisen wie das Spielen von Videospielen oder Fernsehen und körperliche Aktivität (PA) ebenfalls Verhaltensstrategien sind, um den durch ein hohes Selbstbewusstsein verursachten Mangel zu bewältigen (zu entkommen). Man könnte argumentieren, dass exzessive Bewegung zum Beispiel einen ähnlichen Verlauf wie Essanfälle nimmt, da sie eine Flucht vor unmittelbaren oder drohenden Bedrohungen und Belastungen ist.
Manipulationen der Selbstwahrnehmung
Die meisten Forscher, die an experimentellen Studien zur Selbstwahrnehmung beteiligt sind, haben Aufmerksamkeit und Kognition durch Strategien der Ablenkung (z. B. intensive, fesselnde Filme, herausfordernde mathematische Probleme, komplexes motorisches Verhalten) und verstärkte Konzentration auf das Selbst (z. B. Spiegel, selbstrelevante Aufforderungen, Konzentration und Fokus) manipuliert.
In der Sportpsychologie (SP) ist das Selbstgespräch eine Strategie, mit der die Selbstwahrnehmung gesteigert werden kann. Es wird vorgeschlagen, dass Selbstgespräche das Bindeglied zwischen dem Ich-Selbst und dem Ich-Selbst sein können und bei der Entwicklung von motivierenden Gedanken, Gefühlen, Affekten und Selbstüberwachung helfen. Auf diese Weise können Selbstgespräche Selbsterkenntnis und damit verbundene Strategien wie Selbstkontrolle und Regulierung vermitteln.
Zu viel Selbstbewusstsein?
Es gibt einige Hinweise darauf, dass die Manipulation der Selbstwahrnehmung negative Emotionen verstärken und die Anfälligkeit für Angstzustände und Depressionen sowie ein geringeres Selbstwertgefühl fördern kann. Weitere Forschung ist erforderlich, um die potenziell maladaptive Rolle der Selbstwahrnehmung besser zu verstehen.
Referenzen:
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- Baumeister, R. F. (1990). Anxiety and deconstruction: On escaping the self. In J. M. Olson & M. P. Zanna (Eds.), Self-inference processes: The Ontario Symposium (pp. 259–291). Hillsdale, NJ: Lawrence Erlbaum.
- Duval, S., & Wicklund, R. A. (1972). A theory of objective self-awareness. San Diego, CA: Academic Press.
- Heatherton, T. F., & Baumeister, R. F. (1991). Binge eating as escape from self-awareness. Psychological Bulletin, 110, 86–108.
- Morin, A. (1993). Self-talk and self-awareness: On the nature of the relation. The Journal of Mind and Behavior, 14, 223–234.
- St Clair Gibson, A. & Foster, C. (2007). The role of self-talk in the awareness of physiological state and physical performance, Sports Medicine, 37,1029–1044.